Was soll ich sagen?

13.04.2024

Er gehört zu dem Menschenschlag der nicht Fragen stellt, um sein Gegenüber kennenzulernen, sondern damit ihm neue einfältige Geschichten durch die gegebenen Stichworte einfallen, die er zu meinem Missfallen endlos artikuliert.

Früh war ich dran und bezog als erster die Viererkabine, wählte das für mich passendste Bett aus. Danach erkundete ich in kindlicher Neugier jede Ecke des Schiffs ehe ich für ein Nickerchen zurück in die Kabine fand. Da lag nun ein Mann rücklings auf dem Nebenbett. Sein imposanter Bauch spannte sich glaichmässig und entleerte sich ebenso. Seine Präsenz veränderte die olfaktorische Wahrnehmung in der Koje substanziell, dass ich nur zwei Bewältigubgszenarien vorsah. Entweder ich erbitte mir eine andere Kabine oder ich wecke den Herrn und nötige ihn unter die Dusche, freilich beide mit ungewissem Ausgang. Meine Beine bewegten sich unwillkürlich an die mit Rohöl zersetzte Meeresbrise auf der Reling, die mir in diesem Moment wie eine Wohltat in Erscheinung tritt. Ich kämpfte mich durch starke Nebelschwaden des unablässigen Zigarettenrauchs auf dem 7. Deck und kam auf das windgeschützte Oberdeck. Dort vollführten motivierte Bewegungsfanatikerinnen Yogaübungen deren Fusssohlen sich prompt russschwarzen einfärben. Ein Mann mit cholerisch rot gefärbten Kopf aus Nürnberg - wie ich spontan feststellte - hat sein Feldbett aufgespannt und döst seelenruhig darauf. Ein Paar aus Wien, das hinter mir eincheckte, hat die Plasticksessel auf dem Sonnendeck in Beschlag genommen. Ihre Gesichter sonnen sich unablässig im hellen Stern. Die einzige sinnvolle Bewegung die sie vollführen, scheint ihr Haupt so auszurichten, dass die Sonne im Zenit ihr Haupt bräunt. Wie ferngesteuerte saudische Solarpanelen justieren sie sich zuverlässig. Wie und ob sie sich ernährt haben und ob sie sich jemals auf die Toilette begeben haben, entzieht sich meiner Beobachtungsgabe. Einzig dass sie mit tiefgeröteten Oberschenkeln das Schiff verliessen, konnte ich feststellen. Es ist die sichtbare deutschsprachige Biederkeit die invasiv und sonnenhungrig gegen Süden prescht.

Zurück in der Kabine ist die gräuliche Eminenz erwacht. Ein hektargrosses Grundstück nennt er auf dem südlichen Peleponnes sein eigen und wirft mir einen Haufen Dorfnamen an den Kopf die fremd und südlich klingen. Er sei der einzige, der Bioolivenöl herstelle. Die Griechen können das nicht, die wollen nicht so viel arbeiten. Da wird gespritzt was das Zeug hält. Das Label geben sie ihm trotzdem. Wie viele Teutonen stellt er alsbald monetäre Vergleiche auf, die mich langweilen. Später schnappe ich auf, wie seine Tätigkeit ihn bei Siemens nach Lybien brachte. Er nennt Gaddafi einen feinen Menschen, der herrliche Bankette arrangierte und allen zum Dank die Hände schüttelte. Dieser schockierenden Aussage entgegneteich mit einem Themenwechsel. Von Kos wolle ich in die Türkei übersetzen, gebe ich ihm Preis. Oh, da hatte er einmal herrlichen Sex auf dem Schiff. Eine Zahnärztin, ungemein attraktiv, leider nur eine Sommeraffäre.

Was will mir dieser graue Mann beweisen, mit dem ich für 30 Stunden meines Lebens eine Schicksalsgemeinschaft bilde?

© 2023 Sandro's Reiseblog. Alle Rechte vorbehalten.
Unterstützt von Webnode
Erstellen Sie Ihre Webseite gratis! Diese Website wurde mit Webnode erstellt. Erstellen Sie Ihre eigene Seite noch heute kostenfrei! Los geht´s